„Weltaufgang über Bornheim“ – das ist der Titel des Gemäldes, das regelmäßigen Besucher/-innen unseres Weltladens bekannt ist, denn es hängt direkt hinter der Kassentheke. Elisabeth Artmann hat es im Jahr 2009 für den Weltladen Bornheim fertiggestellt. Es zeigt eine große Zahl an kleinen Details, die alle eine Bedeutung haben! Leider kann man, an der Kasse stehend, aus der Entfernung nicht alles erkennen. Wer mag, kann sich hier ein wenig in die Erläuterungen der Künstlerin einlesen (zum Vergrößern auf die Bilder klicken!) …
Elisabeth Artmann erläutert:
Da zunächst geplant war, das Bild im Stil von Max Beckmann zu malen, wurde die Form des Triptychons gewählt: Ein Bild, das aus drei Teilen besteht. Mir gefiel daran auch, dass diese Form hier den Eindruck verstärkt, man würde durch ein mehrteiliges Fenster nach außen sehen. Das Bild soll mit dem Schaufenster im Laden korrespondieren. Es ist sozusagen ein zweites Schaufenster, hier aber gewährt der Laden nicht nur Einblick, sondern auch Ausblick. Einblick wie üblich um Ware zu präsentieren, aber auch, und das ist das Besondere: in die Philosophie des Weltladens. Einblick in das, was viele veranlasst, sich ehrenamtlich für diesen Laden zu engagieren. Mit dem Einblick in einen Weltladen ergibt sich aber eben gleichzeitig der Ausblick auf andere Kontinente, in denen die Waren, die man im Laden verkauft, produziert werden. Jedes Produkt hat eine Geschichte, seine Handwerker …
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Vordergrund: Fünf Personen trinken im Laden Kaffee
Die Idee dieses Motivs wurde zuerst festgelegt. Es ergab sich aus dem Wunsch der Geschäftsführer, den Kaffeekonsum zu fördern. … Ursula und Stefan wurden portraitiert um die Kundschaft zu überraschen und den Effekt des unmittelbaren Involviertseins hervorzurufen: Das ist nicht irgendein beliebiger Druck, massenhaft publiziert, nein, das Bild ist hier für diese Stelle gemalt. Ich hoffe, dass das Bild dadurch lebendiger wird.
Wer nun sind die anderen Kaffee trinkenden Gäste?
Ihre Identität ist nicht eindeutig festgelegt. Sie wechselt, wie die Gäste im Laden wechseln. Man kennt diese assoziativ wechselnden Identitäten vielleicht von den Figuren in den eigenen Träumen.
… Als ich in einer Buchhandlung das Buch von Somaly Mam aus Kambodscha sah und interessiert hinein blätterte, wusste ich, dass ich die passende Antwort auf mein Dilemma gefunden hatte: Auch sie wurde als Frau verkauft, hat es aber geschafft sich zu befreien und nun hilft sie Frauen und Mädchen, die das gleiche Schicksal traf. Für ihr mutiges Engagement hat sie viele internationale Auszeichnungen erhalten.
… Die zweite Figur in dem Bild steht für Mittel- und Südamerika und für die bildenden Künstler. Ähnlichkeiten zu Frida Kahlo sind unverkennbar. Affen, Bananen und Vogel auf dem Tisch vor ihr spielen auf Kahlos Bilder an.
… Den exotischen Gästen wollte ich den bodenständigen Frankfurter entgegensetzten. Für diese Figur ließ ich mich von Max Beckmann inspirieren.
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Die Kontinente
… Dass die Kontinente umgekehrt sind, ergab sich zunächst einfach aus der Blickrichtung. Als ich es bemerkte war ich positiv überrascht: Das stellt Gewohntes in Frage! Ehrlich gesagt wissen wir nicht, wo oben und unten ist! Alles ist auf gleicher Höhe! …
… Auf den Philippinen habe ich es gerade noch geschafft, einen Jungen mit Mangokörben darzustellen. Er erntet für die Organisation Preda, mit der der Weltladen schon mehrfach persönliche Kontakte hatte. … Auf Vietnam habe ich die Keramikwerkstatt Bat Trang dargestellt. … Links auf Java Palmen und Reisfelder, dann sind die großen Vulkane und Jakarta dazwischen angedeutet. Ein Sumatratiger und ein Adathaus am Tobasee. Auf Borneo / Kalimantan sind zwei Kinder aus dem Volksstamm der Dayak in traditioneller Tracht dargestellt. … Indien: Vorne sieht man Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises (1993). Sie ist Umweltschützerin und Bürgerrechtlerin. .. Zu Gandhi im Hintergrund braucht man nicht viel zusagen … Afrika: Oben in Südafrika sieht man ganz klein eine Frau, die Rooibostee erntet. … Das Bild von Nelson Mandela (Friedensnobelpreisträger) stammt von seinem 90igsten Geburtstag (2008). … Das Spielzeugauto, das auf Madagaskar parkt, ist dort hergestellt. … Auf Kenia, vor den Kilimandscharo und neben den Viktoria-See , habe ich Wangari Maathei gemalt. Auch sie bekam den Friedensnobelpreis: Sie rief das Aufforstungsprojekt „Green Belt Movement“ ins Leben. … In Uganda werden die schönen Korbwaren mit den dunkelbraunen Mustern geflochten, die im Weltladen verkauft werden. … Das Mädchen, was uns hier so freundlich die Schokolade zeigt, heißt Larissa und ist die Tochter eines Kakaobauern aus der Elfenbeinküste. (Hinter ihr habe ich noch einen Kakaobaum dargestellt.) Mehr über das Projekt findet man auf der Homepage der Gepa ( Projekt Kavokiva, Elfenbeinküste). … Darunter sind Frauen bei der Baumwollernte zu sehen. Sie stehen für die fair produzierten Textilien, wie die T-Shirts. … Über dem Frankfurter Hauptbahnhof konnte ich mir eine kleine Reminiszenz an Darmstadt nicht verkneifen. In Darmstadt leben die Künste und lebten die Artmanns. … Auf Äthiopien, dem Ursprungsland des Kaffees, steht natürlich ein Kaffeestrauch. In Zentralafrika ganz klein: einfach eine Alltagsszene wie in Bornheim: Jemand ist mit dem Fahrrad unterwegs. … Chile und Argentinien: Im Süden Patagoniens sind eindrucksvolle steile Berge, z.B. die Cuernos del Paine. Hinter den Bergen im Dunklen die bunten Pünktchen (hier in der linken unteren Ecke des Bildes), das ist Santiago bei Nacht! In den Anden habe ich ganz klein eine Sternwarte dargestellt. Sie steht für: „Weiterblicken, immer wieder aus beschränkten Horizonten ausbrechen, neue Weltbilder finden“, und erinnert an Galileo Galilei, der vor exakt 500 Jahren als erster mit dem Fernrohr Belege für das heliozentrische Weltbild fand. Heute, denke ich, stehen wir vor ähnlichen historischen Umwälzungen wie damals zu Beginn der Renaissance. Was hier kaum noch zuerkennen ist, soll Buenos Aires sein. Dahinter Rinder, die im Mondschein unter Palmen weiden. Dazwischen am Flussufer ein Tango tanzendes Pärchen. Romantisch nicht wahr? … Paraguay: In Paraguay wird für den fairen Handel Zuckerohr biologisch angebaut. Man sieht hier drei Arbeiter in heller Kleidung. … Brasilien: 80% des in der Bundesrepublik getrunkenen Orangensaftes kommt aus Brasilien. Der Weltladen bezieht Orangensaft aus Itapolis von der Kooperative Coagrosol. … Nordwestliches Südamerika: Drei Damen sitzen auf den Anden und stricken Alpaka-Pullover. Sie erinnern mich an uralte Mythen von drei Frauen hoch im Norden, die Lebensfäden spinnen. Die Fäden schließen sich hier an die Zuflüsse des Amazonas an. Davor spielt ein Indio Panflöte und antwortet unserem Frankfurter.